Seit Anfang der 90er Jahre beschäftigt sich Barbara Ma- ria Meyer mit botanischen Formen als ihr künstlerisches Ausdrucksmittel. Heimische, wild wachsende Pflanzen, oft die kleinsten und unscheinbarsten unter ihnen, wur- den von der Künstlerin mittels botanischer Bücher und Lexika bestimmt, ihre Familienzugehörigkeit festgelegt, und ihre speziellen Wirkungen auf den Menschen als Heilpflanze untersucht. Blütenstände, Blätter, Stempel, Stängel und Samenkörner wurden dann, ähnlich den schematisierten wissenschaftlichen Illustrationen in den Bestimmungsbüchern, einzeln und im Detail zeichne- risch erfasst, mittels Quer- und Längsschnitte seziert, vergrössert und abstrahiert, um dann in eine neue und eigene malerische Komposition überführt zu werden, in denen sich Natürliches und Stilisiertes, Gefundenes und Komponiertes gegenüberstehen. Neben den stilisierten Abbildungen der Bestimmungsbücher sind vor allem auch nach der Natur gezeichnete Pflanzen Vorlagen für die grossflächige Malerei. Wie durch die Linse eines Mikroskops zoomt sich Meyer in die Pflanze hinein und selektiert einzelne Formen und Details heraus, die dann in vielfacher Übersetzung malerisch weitergeführt wer- den – von Figuration zu einer organischen Abstraktion, vom kleinsten, mikroskopischen Detail hinein in die

verschiedenen formalen Sprachen der art floral etwa des Jugendstils oder der flower power der Pop Art.
So geht zum Beispiel das geschwungene gelbe Band in Belladonna, das an die Ästhetik von 70er Jahre Designs erinnert, auf den Querschnitt der Beere zurück, in der sich die kleinen schwarzen Samenkörner befinden. Die schattenartigen Silhouetten, Blätter und Fruchtstände, die von der Leinwand ausgehend auf der Wandfläche ihre Ergänzungen finden, wurden eigens für diesen Raum konzipiert und korrespondieren wie zufällig mit den realen Schatten der Blätter eines Ficus Elastica, der vor dem Fenster steht. Barbara Maria Meyer malt ihre flächigen floralen Formen direkt mit Acryl und Ölfarbe auf den Bildträger – Leinwand oder Wandfläche. Die Wand ist also von Anfang an ein aktiver Bestandteil der Malerei, und durch den lasierenden Farbauftrag entsteht ein vibrierender Dialog zwischen Pflanze und Raum, sowie zwischen der Wand als Untergrund und den ver- schiedenen Ebenen der Malerei.

SOLANUM TUBEROSUM 105 x 135 cm FLIEDER 81 x 105 cm
+ WANDMALEREI
ACRYL UND ÖL

Es sind jedoch nicht nur formale Überlegungen, die bei der Motivauswahl eine Rolle spielten. Barbara Maria Meyer beruft sich zum Beispiel auch auf die Signatu- renlehre von Paracelsus, nach der die äussere Form einer Pflanze, ihr Gefäss, ihrer inneren Form, ihrer Wirkkraft, entspricht. Die äussere Form, ihr Geschmack und ihr Geruch, werden somit zur Signatur, die es zu entschlüs- seln gilt, um die „Tugend“ der Pflanze zu bestimmen. Dass es gerade die Belladonna ist, die im Aufenthalts- und Veranstaltungsraum in Haus D der kantonalen psy- chiatrischen Klinik in Liestal nun die Wand bespielt, ist kein Zufall. So wird Belladonna sowohl in der Homöo- pathie sowie auch in der Phytotherapie bereits erfolg- reich angewandt. Glaubt man der Lehre Paracelsus, dass die Wirkung einer Pflanze, ihr Arcanum, sich in deren äusserer Form, ihrem Corpus, niederschlägt, so könnte man, hypothetisch, auch umgekehrt argumentieren, dass die Form wiederum etwas von ihrer geheimnisvollen Wirkung transportiert.

Der Aufenthalts- und Veranstaltungsraum in Haus D der kantonalen psychiatrischen Klinik in Liestal ist öffentlich zugänglich und funktioniert auch dadurch als ein aktives Bindeglied zwischen Innen und Aussen, zwischen Individuum und Institution.